GLOBESCAPE
Transformation ermöglichen: Förderung der Raumaneignung («place-making») in peri-urbanen Gebieten unter zunehmender Globalisierung durch Verknüpfung von Design und Landschaftsplanung
Eine beispiellose Urbanisierung bedroht die Landschaftsvielfalt und bringt neue soziale und ökologische Probleme mit sich. Standardisierte Industriegebäude, Einfamilienhäuser und Einkaufszentren verdrängen hochproduktive landwirtschaftliche Flächen, während die Kultur und der Lebensstil der lokalen Gemeinschaften von der Globalisierung erfasst werden. Die Menschen verlieren ihr Ortsgefühl und ihre Motivation, Veränderungen einzuleiten. Das Ergebnis ist eine enorme Zunahme der Fragilität dieser neuen Landschaften des 21. Jahrhunderts, die einen aktiven und kreativen Landschaftsgestaltungsprozess erfordert, um die langfristige Bereitstellung kritischer Ökosystemdienstleistungen zu sichern. Dieses Projekt wird zu einer nächsten Generation von Instrumenten und Methoden beitragen, um die Entwicklung widerstandsfähiger Landschaften zu fördern. Die daraus resultierenden Methoden und Werkzeuge werden den Menschen letztendlich dabei unterstützen, peri-urbane Landschaften zielgerichtet zu verändern.
Die Ziele von GLOBESCAPE sind:
- Erarbeiten eines empirischen Nachweises für wiederkehrende Muster und Prozesse der Raumaneignung
- Entwicklung eines operationellen Werkzeugs zur Aktivierung einer zielgerichteten Veränderung der Landschaft, die ein Gefühl von Ort erzeugt
- Analyse und Vorhersage der Rolle der Raumaneignung bei der zunehmenden Globalisierung für die Formulierung von Empfehlungen
Entwicklung der Arbeiten
Serious Games zum besseren Verständnis von Transformation
Wie kann man ein Stadtquartier zum Besseren verändern? Wäre die Antwort, sich auf gesellschaftliche und ökologische Bedürfnisse zu konzentrieren; soll es attraktiv und politisch machbar sein und gleichzeitig nachhaltig? Wir haben ein Serious Game für zwei Quartiere in Hochdorf (Luzern, Schweiz) und Sompasaari (Helsinki, Finnland) entwickelt, um solche Trade-Offs zu untersuchen.
Im Oktober 2021 lud eine Reihe von zwei Workshops lokale Akteure aus Hochdorf ein, ihre Nachbarschaft mit der Serious-Game-Methode zu transformieren. Das Spiel wurde an Sompasaari angepasst, und hier vertieften sich die Spieler in zwei Workshops im Februar 2022 in eine weitere mögliche Transformation. In beiden Fällen ermöglichte die Methode den Akteuren, auf Augenhöhe zu diskutieren, zog sie in tiefe Diskussionen. Gleichzeitig erlaubte die Methode uns, aus nächster Nähe zu beobachten, wie mit bestimmten Trade-Offs umgegangen wird, und half uns, die Treiber- und Barrieremechanismen zu verstehen, die städtische Transformationen steuern.
Vorläufige Ergebnis zeigen insbesondere:
- Planungsprozesse sind zu unflexibel, um (1) die aktuellen Bedürfnisse des Einzelnen und (2) sich ändernde Klimabedingungen und Überlegungen zur Biodiversität aufzunehmen. Ausserdem sind zu viele Details im Voraus festgelegt, was ein Lernen und Anpassen nicht zulässt, und die Realisierung kleiner Schritte in der Entwicklung sollte einfacher und schneller erfolgen.
- Oberirdische Parkplätze beanspruchen zu viel wertvollen Platz, sind kostspielig, unattraktiv und schaffen unsichere Situationen. Anwohner:innen und lokale Unternehmen benötigen jedoch Parkplätze oder eine verbesserte Rad- und Fussinfrastruktur.
- Identität hilft beim Aufbau von einem Gemeinschaftsgefühl und Ortsbindung und kann durch die Aktivierung kultureller Veranstaltungen wie Festivals und ortsspezifischer Aktivitäten erreicht werden.
- Räumlich legen die Spieler:innen Wert auf (1) nicht-definierte Freiräume zur Selbstentfaltung, (2) die Einzigartigkeit eines Ortes durch historische oder natürliche Besonderheiten und (3) ein ausgewogenes Verhältnis zwischen und Zusammenspiel von lokalem Einkaufen, Arbeiten, Gastronomie und Wohnen. Darüber hinaus sollte die physische Struktur an zeitgemässe Bedürfnisse und sich ändernde Klimabedingungen angepasst werden, aber Räume, die zu klinisch und vordefiniert sind, führen zu einem Mangel an Orten, an denen Menschen gerne interagieren.
- Strategisch platzierte Akteure, insbesondere Landbesitzer:innen, haben die Macht, öffentlich gewünschte Transformationen zu blockieren.
- Die Spieler:innen bewerten das Spiel als effektiv, insbesondere wegen der konstruktiven Diskussion, die es hervorruft. Sie möchten das Spiel in Planungsprozesse integrieren.
Spielelemente: Projektblöcke, Ereigniskarten, Spieleraktionen und -ziele, Zeitbegrenzung und vereinfachte Darstellung der beiden Stadtteile Hochdorf und Sompasaari.
3D-Spielumgebung
Um den Einfluss der Repräsentation der Umwelt auf die Diskussionen um die Entstehung von Orten weiter zu analysieren, haben wir das Brettspiel von Hochdorf in ein digitales Spiel umgewandelt. Für die vollständige Immersion wurde aus terrestrischen Laserscan-Punktwolken ein 3D-Modell des Braui-Areals in Hochdorf erstellt. Die Projekte im Spiel wurden durch 3D-Skizzen dargestellt.
Spielelemente: Projektblöcke, Ereigniskarten, Spieleraktionen und -ziele, Zeitbegrenzung und vereinfachte Darstellung der beiden Stadtteile Hochdorf und Sompasaari.
3D-Spielumgebung
Um den Einfluss der Repräsentation der Umwelt auf die Diskussionen um die Entstehung von Orten weiter zu analysieren, haben wir das Brettspiel von Hochdorf in ein digitales Spiel umgewandelt. Für die vollständige Immersion wurde aus terrestrischen Laserscan-Punktwolken ein 3D-Modell des Braui-Areals in Hochdorf erstellt. Die Projekte im Spiel wurden durch 3D-Skizzen dargestellt.
Beobachtungen und physiologische Experimente in vier Fallstudien: Schweiz, Niederlande, Italien, Polen
Schweiz
Im September 2020 wurde in Olten (CH) und Aarau (CH) ein erstes vollständiges Experiment durchgeführt. Dabei wurden physiologische und psychologische Messmethoden in virtuellen Umgebungen eingesetzt. In unserem mobilen, visuell-akustischen Labor wurden 150 Teilnehmenden, drei Arten von Wohngebieten gezeigt: ländlich, urban/altstädtisch und peri-urban. Als Basislinie wurde eine naturbelassene Umgebung gezeigt (Baumkronen). Die gezeigten Wohngebiete wurden in 360° in Kombination mit ambisonischem Ton gezeigt. Es wurde die elektrodermale Aktivität (EDA; via Elektroden an den Fingerspitzen), die Herzfrequenzvariabilität (HRV; via Armband) gemessen sowie eine Bewertung der Wohngebiete, einschliesslich unseres Konzeptes über place und place-making, aufgezeichnet.
Als Anreiz zur Teilnahme an unserer Studie, wurden 2’000 CHF unter allen Teilnehmenden verlost. Der/die Gewinner/in spendete den gesamten Betrag an "CMB mission chrétienne pour les aveugles".
Erste Ergebnisse:
Eine erste Analyse zeigte eine geringere Präferenz (11%) für peri-urbane Wohngebiete im Vergleich zu städtischen/altstädtischen (30%) und für ländliche (58%) Wohngebiete. Zudem lösten peri-urbane Wohngebiete häufiger eine negative, affektive Reaktion aus. Die EDA-Messungen zeigten zudem einen signifikanten Unterschied zwischen den bebauten Wohngebieten und der Baseline, die erwartungsgemäß eine geringere Erregung erzeugt. Sowohl tonische als auch phasische EDA-Signale verhalten sich in peri-urbanen unterschiedlich im Vergleich zu den anderen Wohngebieten. Dies ist interessant, da die Hälfte der europäischen Bevölkerung bereits in peri-urbanen Gebieten lebt. Weitere Analysen sind in Bearbeitung mit dem Ziel, weitere Zusammenhänge zwischen den affektiven Reaktionen mit place-making und mit spezifischen Landschaftsmerkmalen zu erörtern.
Niederlande
Im September und Oktober 2021 haben wir das zweite vollständige Virtual-Reality-Experiment in Utrecht (NL) durchgeführt. Unser mobiles Labor ermöglichte es uns, frequentierte Orte in Utrecht zu besuchen. Somit konnten 250 Teilnehmer:innen drei Arten von Wohnumgebungen ausetzte. Diese Umgebungen wurden wiederum aus 360°-Fotos mit Ambisonischem Ton erstellt und wurden alle in Utrecht und Umgebung aufgenommen. Während des Experiments haben wir EDA, HRV und gemessen sowie eine Bewertung der Wohngebiete, einschliesslich unseres Konzeptes über place und place-making, aufgezeichnet.
Die Teilnehmer:innen des Experiments nahmen an einer Verlosung von 1500 EUR teil. Der Gewinner war Herr Matthijs Theeuwen, der an der Location „Smaragdplein“ teilgenommen hat.
Erste Ergebnisse:
Die Auswertung der emotionalen Messungen zeigt, dass periurbane Wohnumgebungen unangenehme, deaktivierende Gefühle auslösen, im Gegensatz zu der urbanen Wohnumgebungen, welche positive Emotionen auslösen. Ländliche Szenen wurden in Utrecht neutral bewertet, was im Gegensatz zu unseren Ergebnissen in der Schweiz steht, wo die Menschen eindeutig ihre Präferenz für diese Art von Nachbarschaftslandschaften zeigten. Darüber hinaus führten wir eine Regressionsanalyse durch, um place-making anhand von sozialem Zusammenhalt, Bindung und emotionalen Reaktionen auf die physische Umgebung zu erklären. Wir stellen fest, dass emotionale Reaktionen für die ländlichen und städtischen Szenen eine Rolle spielen, aber nicht für die periurbanen Nachbarschaften. Es scheint, dass die stadtnahe Umgebung nicht nur negativere Gefühle auslöst, sondern auch keine Emotionen hervorruft, die dazu beitragen könnten, den Prozess der Ortsgestaltung auszulösen.
Weitere Impressionen: Erstellen von dreidimensionalen Umgebungen mit Punktwolken in Utrecht, Holland
Projektteam
Prof. Dr. Adrienne Grêt-Regamey (PI)
Dr. Marcelo Galleguillos-Torres (PhD, WP 1)
Michal Switalski (PhD, WP 2)
Laura Endres (WP 1)
Johann Schuur (WP 3)
Laura Schalbetter (WP 3)
Orencio Robaina Martinez de Salinas (WP 4)
Finanzierung
Für das dieses Projekt wurden Fördermittel des Europäischen Forschungsrats (ERC) im Rahmen des Programms der Europäischen Union für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ bereitgestellt (Finanzhilfevereinbarung Nr. 757565).
Dauer
1.6.2018 - 31.12.2022